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Textsatz Keine Angst vor LaTeX

Kein Lust auf Word? Kein Problem: Das Textsatzsystem LaTeX erfordert zwar etwas Einarbeitung, belohnt dafür aber mit herausragender typographischer Qualität - und ist kostenlos für Linux, Mac und Windows-PCs erhältlich.

Was seit Gutenberg stets getrennt war, hat Microsoft Word zusammengefügt: Autor und Setzer sind am PC eins geworden. Dabei haben beide unterschiedliche Aufgaben: Der Autor kümmert sich um den Inhalt. Der Setzer sorgt dafür, dass dieser möglichst gut zu lesen ist. Das Bewusstsein für die Trennung der beiden Bereiche lebt in der LaTeX-Szene weiter.

Diese hat nichts mit Gummi zu tun und wird auch anders ausgesprochen, nämlich so wie "Latech". Dabei handelt es sich um eine Technik, die mit Hilfe von Makros die Verwendung des Satzprogramms TeX (auszusprechen wie "Tech") vereinfacht. TeX und LaTeX sind Open-Source-Lösungen und stammen aus der Unix-Welt.

Neben unterschiedlichen Angeboten für Unix, Linux und Mac OS gibt es das Satzprogramm inzwischen auch für Windows. Einen festen Platz hat es vor allem in den Naturwissenschaften: Deren Formeln können mit LaTeX-Mitteln sehr viel präziser dargestellt werden, als es unter Word möglich ist.

Keine Frage: Das Setzen mit LaTeX ist deutlich komplizierter als die Bedienung der meistverbreiteten Textverarbeitung. Aber weil Dokumente bei LaTeX zunächst nur aus einer logischen Perspektive betrachtet werden, hat dies vor allem bei umfangreichen Texten seine Vorteile. Computer könnten logische Informationen viel besser verarbeiten als visuelle, erklärt LaTeX-Erfinder Leslie Lamport und meint: "Visuelle Systeme mögen bequemer sein für kurze, einfache Dokumente wie Liebesbriefe oder Wäschelisten. Logische Systeme aber sind besser für komplexere Dokumente wie Bücher und technische Artikel." Diese werden mit LaTeX in drei Schritten erstellt.

In drei Schritten zum gewünschten Ergebnis

Das eigentliche Texten findet zunächst in einem beliebigen Editor statt, wobei Computerfreaks auf Emacs schwören: Dieser ursprünglich nur im Konsolenfenster laufende Editor ist wegen seiner vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten wohl eines der mächtigsten Computerprogramme überhaupt. Dabei gibt es inzwischen auch Versionen wie XEmacs oder Aquamacs, die den Emacs mit der grafischen Benutzeroberfläche versöhnen.

Im zweiten Schritt wird der Text gesetzt. Was für den Mainzer Gutenberg um 1450 der Winkelhaken für das Einsetzen der Bleilettern und das Setzschiff für die Gestaltung der Seite waren, sind bei LaTeX bestimmte Befehle, die alle mit einem "Backslash" beginnen, also mit einem umgekehrten Querstrich. Das fängt an mit der Definition einer Dokumentenklasse wie "article" oder "book", wobei gleich mit angegeben wird, ob der Text ein- zwei- oder mehrspaltig gesetzt werden soll. Daneben gibt es eine Vielzahl von Befehlen für die Gliederung und für die typographische Gestaltung des Textes, darunter Anweisungen für Schrift und Textausrichtung. Auch die pixelgenaue Beschreibung von Grafiken oder die Einbindung von Fotos ist für LaTeX kein Problem.

Zuletzt geht es dann in die Druckerwerkstatt: Die Software interpretiert alle Anweisungen und wandelt das mit der Endung .tex gespeicherte Dokument in ein gewünschtes Ausgabeformat um. Das ist meist PDF, mit Hilfe von Zusatzprogrammen aber auch HTML oder das Open Document Format von OpenOffice.

Erst am Schluss bekommt der Textgestalter also sein fertiges Werk zu Gesicht. Word funktioniert nach dem Prinzip: "What You See Is What You Get" (WYSIWIG) - das fertige Ergebnis ist von Anfang an auf dem PC-Bildschirm zu erkennen. Die LaTeX-Community setzt diesem Slogan ihr eigenes Motto entgegen: WYGIWYM steht für "What You Get Is What You Mean" - Man bekommt das, was man auch wirklich beabsichtigt hat.

Peter Zschunke/AP